Wie Gleichförmigkeit und fehlende Differenzierung zum Verhängnis wurden
„Employer Branding ist tot“ – mit diesem Satz zieht Employer Telling seit 2016 durchs Land (Artikel aus dem Humanresourcesmanager). Einige haben das geraume Zeit später in ein schwächeres Statement umgewandelt, demzufolge lediglich das „klassische“ Employer Branding tot sei. Wir bleiben aber bei der stärkeren Aussage. Hier noch einmal die wichtigsten Argumente und Fakten.
Branding – welches Branding: Differenzierung Fehlanzeige
Dem Anspruch und der Zielsetzung nach hat Employer Branding eine Differenzierungsfunktion: Arbeitgeber sollen sich von anderen in ihrem Angebot unterscheiden.Daran ist Employer Branding allerdings so kläglich gescheitert wie der tapfere, aber erfolglose Coyote an der Jagd auf den Road Runner in den Looney-Tunes-Zeichentrickfilmen. Statt Unverwechselbarkeit und Differenzierung hat Employer Branding im kommunikativen Endergebnis aber vor allem Gleichförmigkeit produziert. Wir müssen das jetzt im Einzelnen wirklich nicht noch einmal belegen und verweisen stattdessen auf unsere Club der Gleichen-Studien.
Bewerbern Hautcreme verkaufen: enge Anlehnung an die Unternehmensmarke
„Kern von Employer Branding ist immer eine die Unternehmensmarke spezifizierende oder adaptierende Arbeitgebermarkenstrategie,“ heißt es in einer weit verbreiteten Definition von Employer Branding. Die enge Anlehnung an die Unternehmensmarke ist in der Vergangenheit leider häufig im Versuch geendet, Bewerbern Hautcreme oder Schokoriegel zu verkaufen. So sind viele Arbeitgeberporträts keine, sondern produktgetriebene Unternehmensporträts, die sich gedanklich an den Kundenmarkt richten, nicht aber an den Talentmarkt, den sie eigentlich adressieren sollten. Das Problem liegt auf der Hand: Wenn ein Automobilhersteller für die anstehende Transformation in seiner Branche vor allem ITler sucht, kommt er mit Markenargumenten aus der Automobilwelt nicht weit. Nicht nur uns sind die unerwünschten Nebenwirkungen einer solchen Arbeitgebermarkenstrategie aufgefallen, auch andere, wie Benedikt Hackl, haben eine stärkere Ausrichtung der Arbeitgebermarke auf die „authentische Identität“ als Arbeitgeber gefordert (Kleines Missverständnis mit großer Wirkung, Personalmagazin 11/2020, S. 46-48).
Wir wären wohl divers und weltoffen: fehlende Basis in der tatsächlichen Identität
Allzu oft ist es mit der Identitätsbasierung der durch Employer Branding geschaffenen Arbeitgebermarken nicht weit her. Diese richten sich stattdessen stärker nach der Frage „Wer wollen wir sein?“ als nach der Frage „Wer sind wir tatsächlich?“. So beobachten wir immer wieder, dass sich Unternehmen als besonders aufgeschlossene Diversity-Organisationen positionieren, OHNE vorher entsprechende interne Prozesse angestoßen zu haben, um die Dinge im Unternehmen tatsächlich positiv zu verändern. Ausgangspunkt einer Arbeitgebermarke und/oder Kommunikation sollte aber immer zunächst die Innensicht der Mitarbeitenden sein. Wir erheben diese Innensicht in unseren Projekten per Tiefeninterviews, denn auch die Marken-Gemeinschaftsarbeit in Fokusgruppen kann die Authentizität verwässern. Ausgehend von dieser identitätsbasierten Arbeitgebermarke können sich Unternehmen oder Organisationen dann auf den Weg zum eigenen Wunschbild als Arbeitgeber machen. Das bedarf dann aber weniger einer kommunikativen als viel mehr einer substanziellen Kraftanstrengung. Um im Bild zu bleiben: Diversität entsteht nicht durch einen Slogan, sondern aus einem gelebten unternehmenskulturellen Veränderungsprozess.
Der Arbeitgebersenf-Senden-Button: mangelnde Dialogorientierung
Das mediale Umfeld der Employer Branding-Kommunikation hat sich seit Einzug des Ansatzes in die deutsche Unternehmenswelt einschneidend verändert. Wie bei anderen Unternehmensthemen auch hat sich der Schwerpunkt von den Owned und Paid Media auf die Earned Media verlagert. Für HR-Abteilungen bedeutet dieser Wandel: Sie müssen sich unter anderem mit kununu & Co. herumschlagen. Das heißt: Ihre Employer Branding Aussagen werden überprüfbar – direkt im Feedback der Mitarbeitenden und Bewerbenden. Die für Arbeitgeberkommunikation Verantwortlichen haben diesen Wandel nie richtig nachvollzogen. Statt transparent echte Vorzüge in Zahlen, Fakten und Geschichten zu kommunizieren und engagiert öffentlich den Dialog mit Bewerberzielgruppen zu führen, drücken sie nach wie vor routiniert den gewohnten Arbeitgebersenf-Senden-Button- mit seinen generischen Behauptungen und austauschbaren positiven Selbstzuschreibungen à la „hier werden Sie gefordert und gefördert“.
ChatGPT: Sudden Death durch KI
Wir haben kürzlich ChatGPT mit dem Auftrag gefüttert, einen Employer Branding-Text zu verfassen. Die KI-Anwendung fasste daraufhin den bis 2021 online dokumentierten Standard im Employer Branding solide zusammen (LINK). Was heute gemeinhin noch unter „Employer Branding“ läuft, kann künftig die Maschine ohne Verlust den Agenturen, Beratern und Unternehmensverantwortlichen abnehmen.
Noch Fragen? Wir schon. Eigentlich sollten vor dem Hintergrund des „Arbeitermangels“ goldene Zeiten fürs Employer Branding angebrochen sein, aber die Luft ist raus. Employer Branding ist tot und die Trauer hält sich in Grenzen, denn der Fußbadruck, den der Ansatz hinterlassen hat, verblasst schneller als jeder Staub über ihn wehen kann. Aber was kommt danach? Jedenfalls haben wir seit einigen Monaten verhaltene Absetzbewegungen in der Community registriert. Wer gestern noch den Einheitsbrei kräftig mit angerührt hat, beginnt sich heute langsam und schrittweise von dem Konzept zu distanzieren. Das könnte ein zarter Anfang sein. Immerhin.