Eine neue wissenschaftliche Studie zeigt: Kandidaten verzichten auf Bewerbung, wenn Arbeitgeberkommunikation und Bewertungen nicht zueinander passen
Wer sich öfter einen Streifzug durch die Welt deutscher Karrierewebsites gönnt, dürfte sich eigentlich keinerlei Sorgen mehr um Bewerber oder Bewerberinnen mehr machen. Denn vom „unglaublich inspirierendes Arbeitsumfeld“ über die „selbstredende Gleichstellung“ und „die wertschätzende Führungskultur“ bis hin zum „fördernden und fordernden Eigenverantwortung, die in persönlichem Wachstum mündet“ ist so ziemlich alles dabei, was das Mitarbeiter-Herz begehrt. Nun haben wir oft genug die austauschbaren Floskeln und Phrasen der deutschen Arbeitgeberkommunikation gegeißelt und wollen in diesem Beitrag ausnahmsweise einmal darauf verzichten. Was aber, wenn Bewerberinnen und Bewerber auf den Trichter kommen, die Aussagen der Arbeitgeber auf Herz und Nieren zu prüfen? Und zwar schon ein gutes Stück vor dem Vorstellungsgespräch – vielleicht sogar bevor sie die Bewerbungsunterlagen erstellen? Ein Horrorszenario? Leider nein! Genau das passiert längst, wie eine gerade erschienene Studie zeigt, die das Trendence Institut im Auftrag einer interuniversitären Wissenschaftlergruppe aufgesetzt hat.
Das österreichische Wissenschaftler-Team Dr. Katharina Pernkopf, Dr. Markus Latzke und Prof. Wolfgang Mayrhofer analysieren den Umgang mit Arbeitgeberbewertungen schon etwas länger und legen nun eine Studie vor, die zeigt: Kandidaten vergleichen die Aussagen von Arbeitgebern auf Karriereseiten oder Stellenanzeigen aktiv mit den Erfahrungsberichten, die sie auf kununu lesen. Das bedeutet: Arbeitgeber, die beispielsweise auf ihrer Karriereseite Gleichstellung und Vielfalt versprechen, denen aber auf kununu eine Unternehmenskultur vorgeworfen wird, in der es zum Beispiel Frauen deutlich schwerer haben als ihre männlichen Kollegen, haben neben dem strukturellen Problem auch ein kommunikatives. Denn Employer Branding Aussagen und kommunizierte Attraktivitätsmerkmale sind nun überprüfbar und werden eben auch überprüft! Die Folge: Arbeitgebermarken entstehen nicht mehr länger über gut klingende Positionierungen oder über eine eindimensionale Kommunikation, die auf der Behauptungsebene stattfindet. Attraktivitätsmerkmale von Arbeitgebern müssen auch und gerade auf kununu & Co. nachgewiesen werden können. Das macht den Employer Branding Prozess natürlich nicht einfacher – aber wenn Employer Branding einfach wäre, hieß es ja auch Fußball.
Die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Studie aus dem Januar 2022:
Zunächst ergibt die Studie interessante Daten zum Nutzungsgrad von Arbeitgeberbewertungsportalen. Denn gemäß der Studie nutzen derzeit 73,6% der Kandidat*innen Portale wie kununu oder Glassdoor. Das ist eine deutliche Steigerung, denn 2018 lag der Nutzungsgrad für die 14 bis 29-jährigen bei etwas mehr als 50%. Das zeigt: Bewertungscontent ist wichtiger denn je für die Mitarbeitersuche. Neben dem reinen Nutzungsgrad interessant: Die meisten Bewerber*innen nutzen die Portale, um sich generell über potentielle Arbeitgeber vor oder während der Jobsuche zu informieren. Hier liegt der Anteil bei fast 78%. Ebenfalls hoch ist der Anteil derjenigen, die einen letzten Arbeitgeber-Check vornehmen, wenn ihnen bereits ein Jobangebot vorliegt – also die Jobsuche längst abgeschlossen scheint. Das machen 30% immer, weitere 37% ziehen das immerhin in Erwägung. Auch während des Beschäftigungsverhältnisses überprüfen Mitarbeiter*innen ihren aktuellen Arbeitgeber – 26,3% regelmäßig, weitere 36,7% tendenziell.
Von diesen ausgewiesenen Nutzer*innen geben mehr als ein Viertel (28,4%) an, dass ihnen immer oder oft eine Diskrepanz zwischen Arbeitgeberkommunikation und Mitarbeiterbewertungen auffällt, wenn sie sich auf Jobsuche begeben. Weitere 39,4% registrieren dies zumindest gelegentlich. Bemerken kununu-Nutzer, dass es eine Kluft zwischen der Arbeitgeberkommunikation und den Bewertungen gibt, reagieren sie teilweise scharf. Denn mehr als die Hälfte dieser Kandidat*innen (54,0%) bewerben sich in einem solchen Fall nicht mehr, 26,7% sogar nie mehr bei dem jeweiligen Unternehmen.
Ein zentraler Punkt auf kununu ist natürlich der Gesamt-Score eines Unternehmens. Den schauen sich satte 87% aller Bewerber*innen an, wenn sie auf der Plattform unterwegs sind. Und dabei sind die Ansprüche an die Arbeitgeber durchaus hoch. Denn auf die im Internet übliche Bewertungsskala von 5 Sternen verzichten die Bewerber*innen im Schnitt ab einem Score von 2,5 auf eine Bewerbung beim jeweiligen Unternehmen, womit die erste Messlatte schon einmal gelegt wäre. Als Zielsetzung in der Beziehung kann sicherlich ein Score von 3,8 gelten. Denn ab diesem haben Arbeitgeber die Möglichkeit das kununu Top Company Siegel zu ergattern – ein dann auch sichtbarer Nachweis für gute Bewertungen.
Arbeitgeber, die sich immer noch dem Umgang mit Bewertungen verweigern, sind nicht nur auf dem Holzweg, sondern handeln fahrlässig. Sie sind nicht dort, wo die Bewerber*innen in zunehmend hoher Zahl (aktuell 74%) sind. Sie überlassen den Bewertern und den Bewerber*innen die Deutungshoheit über ihre Employer Brand. Kurz: Sie ignorieren einen der wichtigsten Orte für die Entstehung von Arbeitgebermarken. Denn auf kununu & Co. werden Markenwerte überprüft, nachgewiesen oder im schlechteren Fall als Werbephrase entlarvt. Die neue Trendence-Studie sowie die Auswertungen der Arbeitsmarktforscher zeigt: Kandidat*innen machen genau das. Darauf müssen sich Arbeitgeber einstellen – nicht mehr und nicht weniger. Ein Satz wie „kununu machen wir nicht“ sollte daher in jedem Unternehmen unter empfindliche Strafe gesetzt werden – auch und gerade dann, wenn er in Chefetagen gesprochen wird.
Veranstaltungstipp zum arbeitgeberseitigen Umgang mit kununu und anderen Bewertungsportalen:
Employer Telling bietet in regelmäßigen Power Seminaren praktische Lösungsmöglichkeiten im Umgang mit kununu und anderen Bewertungsplattformen. Die nächsten Termine, Programm und Anmeldung unter: https://kununu-power-seminar.de/