Differenzierung ist in der deutschen Arbeitgeberkommunikation nach wie vor ein nachrangiges Ziel – ein fatales Markenverständnis
Unterscheidung ist ein wesentliches Merkmal starker Marken. Nur eine These? Reicht es nicht, einfach die eigenen Markenwerte (=Stärken) in die Welt hinaus zu posaunen, auch oder gerade dann, wenn diese die gleichen sind, wie die anderer Marken? In diesem Fall würde also die Marke das Spiel um die Gunst ihrer Zielgruppe gewinnen, die am lautesten schreit. In der Produktwelt der Schokoriegel, Waschpulver oder Mineralwasser könnte eine solche Lärmpegel-Taktik sogar aufgehen. Denn dort, wo alles gleich schmeckt, gleich sauber wäscht oder gleich aussieht, kann es durchaus passen, dass lauter Mediendruck die Marke macht. In Umfeldern, in denen allerdings die Identität einer Marke entscheidet, sieht das schon wieder etwas anders aus. Kurzfristige Markenbekanntheit ist dann weit weniger hilfreich, weil sie viel zu schnell verpufft. In der Arbeitgeberkommunikation zum Beispiel sollte es unbedingt darum gehen, dass sich eine Arbeitgebermarke von der anderen unterscheidet und so potentiellen neuen Mitarbeitern im Bewerbungsprozess Orientierung bietet. Diese Erkenntnis scheint sich allerdings noch nicht vollends bei vielen Verantwortlichen durchgesetzt zu haben. Denn hier steht Differenzierung der eigenen Arbeitgebermarke als Ziel im Employer Branding Prozess offenbar wenig hoch im Kurs. Das jedenfalls ist eines der Ergebnisse des aktuellen „Employer Branding Now Report“ des Beratungsunternehmens Universum aus dem StepStone-Kosmos.
Universum-Report: Differenzierung auf Platz 5 im Employer Branding Prozess
Gemäß der Ergebnisse aus diesem Report steht Employer Branding als Kommunikationsherausforderung bei den meisten HR-Experten in Deutschland zwar ganz hoch im Kurs (mehr als zwei Drittel schätzen es als Top-Priorität ein), aber wie der Employer Branding Prozess inhaltlich ausgestaltet sein soll, ist längst nicht zweifelsfrei geklärt. Denn in diesem Zug wollen die meisten Unternehmen in Deutschland ihre Arbeitgebermarke in erster Linie lautstark heraus posaunen, anstatt sie inhaltlich differenzierend aufzuladen. Sie von anderen abzuheben – das setzen die von Universum befragten HR´ler indes gerade einmal auf Platz 5 ihres Anforderungsprofils, was die Ziele einer Arbeitgebermarke betrifft.
Lieber laute, als sich unterscheidende Marken – ein fatales Markenverständnis
Dieses Markenverständnis ist einerseits fatal, denn wer Arbeitgebermarken mit Waschpulver verwechselt, verkennt die Arbeitswelten von mehr als 40 Millionen Menschen in Deutschland. Auf der anderen Seite ist dieses Markenverständnis auch nicht überraschend – wenigstens dann nicht, wenn man sich die Ergebnisse der Employer Telling „Club der Gleichen“-Reihe einmal vor Augen führt. Hier gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass deutsche Arbeitgeber zu Differenzierung ein ähnlich reserviertes Verhältnis pflegen wie Harry Potter zum dunklen Lord. Einige Beispiele verdeutlichen dies:
Austauschbares Wording: Auf den Karrierewebsites der großen deutschen Arbeitgeber regieren seit Jahren die „Legenden der Leidenschaft“ – egal ob Automobilbauer, Konsumgüterhersteller oder Lifestyle-Unternehmen – sie alle berichten von einer Leidenschaft in ihren Büros und Fabrikhallen, die klarer Ausdruck ihrer selbst sei. Mehr Floskeln, mehr Phrasen sind kaum denkbar. Darüber hinaus finden wir abertausende Stellenanzeigen, in denen ausschreibende Arbeitgeber sich selbst als weltweite Marktführer mit klaren Visionen und innovativen Prozessen ausweisen und einen Sprachstil pflegen, bei dem selbst in vielen Finanzämtern der Rotstift angesetzt würde, um den umständlichen Ausdruck zu kritisieren.
Werblich zurecht gestelzt Mitarbeiter-Statements: Mitarbeiter, die von „selbstredender Gleichstellung“ in ihrem Unternehmen berichten, wechseln sich mit solchen ab, die von einem „unglaublich inspirierendem Arbeitsumfeld“ sprechen, das daher rührt, dass „mein Arbeitgeber Wert auf überdurchschnittlich talentierte Mitarbeiter legt“ – wer wirklich davon ausgeht, dass gefragte Bewerber fröhlich in die Bewerbungstastatur hauen, wenn sie derart zurecht gestutzte „Erfahrungsberichte“ lesen, wäre vielleicht besser dort aufgehoben, wo Schokoriegel und Waschpulver angepriesen werden. Die viele beschworene Authentizität? Fehlanzeige!
Oberflächlicher Kandidatendialog: Neun von zehn Arbeitgeber verweigern aktuell den Dialog mit Mitarbeitern oder Bewerbern auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu. Und die wenigen, die sich doch stellen, antworten zu 51% im „Copy & Paste-Verfahren“ auf Kritik, indem sie ein und dieselbe Antwort unter die kritischen Bewertungen stellen. Selbst im so viel beschworenen Kandidatendialog finden wir also mehr Eintönigkeit als ernst zu nehmenden Austausch zwischen zwei Parteien, die sich ja eigentlich suchen und herausfinden möchten, ob sie zueinander passen.
Keine Kommunikatoren, die den Unterschied machen: 67% der Journalisten, die sich mit Arbeitsweltthemen befassen, finden, dass die Employer PR von Unternehmen schwächer ist als deren Produkt oder Investor Relation PR. Gerade einmal 19% sagen, dass Personalabteilungen Trends und spannende Nachrichten setzen, wenn es um Arbeitsweltthemen geht. Das bedeutet: Arbeitgeber sind verdächtig leise, wenn es darum geht Stellung zu beziehen – eine Funkstille, die im Kontext des Produktmarketing undenkbar wäre.
Diese Ergebnisse, verbunden mit dem Ergebnis der Universum-Befragung, sind Ausdruck eines gefährlich falschen Markenverständnisses in der Arbeitgeberkommunikation, aber eben auch eine große Chance für Arbeitgeber, die davon abweichen. Denn wer sich um Differenzierung bemüht, kann das Spiel tatsächlich gewinnen und aus einer großen Masse des Einheitsbreis herausstechen. Gelingt das, kann es sich sogar lohnen, lautstark zu kommunizieren – dann, aber eben auch nur dann.